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Die Sternbrücke – Fotoband zu einem einzigartigen urbanen Ort

Auch wenn der Eilantrag der Initiative Sternbrücke abgewiesen wurde, noch ist über die Klage nicht entschieden und die Monsterbrücke noch lange nicht gebaut. Allerdings sind bereits zahlreiche Bäume gefällt, die Mieter*innen der umliegenden Wohnungen vertrieben und die ersten Häuser wurden abgerissen. Umso wichtiger und wertvoller, dass nun ein Fotoband erschienen ist, der diese bereits zum großen Teil zerstörte Welt visuell zum Leben erweckt.

Die Initiative Sternbrücke lädt zur BUCHRELEASE ein.

Stephan Pflug: Die Sternbrücke. Hamburgs letzter urbaner Ort
Mit Texten von Kristina Sassenscheidt und Axel Bühler
Dienstag, 7. Mai, 19 Uhr, Künstlerhaus Faktor, Max-Brauer-Allee 229
Mit vielen Akteur*innen und aktuellen Informationen zum Stand der Klage gegen die Monsterbrücke

Der Hamburger Fotograf Stephan Pflug – selbst engagiertes Mitglied der Initiative – hat die Sternbrücke über viele Jahre fotografisch begleitet. Seine Bilder sind eine Liebeserklärung an die denkmalgeschützte Eisenbahnbrücke aus genietetem Stahl und den quirligen urbanen Mikrokosmos aus Clubs, Szenebars und Kiosken, der sich hier über Jahrzehnte entwickelt hat.

Im Buch blätternd erscheinen vor unseren Augen die Astra Stube, in der Fatih Akim eine Szene für seinen Film „Soul Kitchen“ drehte und die mehrfach mit dem Club Award für die beste Newcomer-Förderung in Hamburg ausgezeichnet wurde; die Beat Boutique mit der kleinsten Tanzfläche Hamburgs; die legendären Clubs Fundbureau und Waagenbau. Für gastronomische Nahversorgung und Getränke sorgten Güney Kebap & Baran Falafel; Tacos & Burritos gab‘s im Saint Pablo’s und am Brückenkiosk war „mehr los als am Fischmarkt“. Bereits abgerissen sind das Bedpark Hotel, dessen Fassade der Innsbrucker Künstler HNRX mit einem Mural schmückte, ebenso wie die Schrauberwerkstatt Butzek Automobile, die hier seit 2001 betrieben wurde. Noch stehen als Solitär das Eckhaus an Stresemannstraße mit Sterngarten sowie das Künstlerhaus Faktor neben der Bar 227, dessen Gäste Jimi Hendrix als großflächiges Wandgemälde bewundern konnten.

Stephan Pflugs stimmungsvolle fotografische Langzeitbeobachtung fängt diesen einzigartigen subkulturellen Ort und die Menschen, die ihn zu vibrierendem Leben brachten, in wundervoller Art und Weise ein. Seine Fotos lassen ermessen, wie kostbar ist, was hier unwiederbringlich zerstört wurde: eine Form von Urbanität, wie sie – häufig in Nischen und auf Brachen – von den Bewohner*innen und Nomaden des städtischen Raums geschaffen wird und von der die Architekturbüros profitgetriebener Großkonzerne nicht einmal zu träumen wagen. Und man ist jetzt schon traurig, diese Orte nicht häufiger besucht zu haben und sie nie wieder besuchen zu können.

„Die Utopie ist jetzt“, schreibt Axel Bühler treffend in dem Nachwort zum Buch, in dem er den langen Kampf der Initiative Sternbrücke Revue passieren lässt und sich kritisch mit der Hamburger Stadtentwicklungspolitik und einer autozentrierten Verkehrsplanung auseinandersetzt. Im Vorwort erläutert Kristina Sassenscheidt vom Denkmalverein die filigrane architektonische Qualität der 100 Jahre alten Brücke, die nun einem Neubau weichen soll, der eher an einen Flugzeugträger mitten im Wohngebiet denken lässt. Und sie zitiert zustimmend den Künstler Christoph Schäfer, der die Sternbrücke einen der „psychogeografisch bedeutendsten Orte im Hamburger Nachtleben“ nennt. Erhellende Informationen zu den auf den Fotos abgebildeten Orten hat Almut Siegert beigesteuert.

Nicht zuletzt stellt der Fotoband eine Hommage an die Initiative Sternbrücke dar, die ihren Protest mit mittlerweile 104 Kreiselkonzerten begleitet hat. Ihr vorbildliches zivilgesellschaftliches Engagement ist Inspiration und Ermutigung für verwandte Initiativen, die wie sie beharrlich an einer lebenswerten Stadt von unten und für alle arbeiten. Sie hat gezeigt: So geht Stadt!

Link zum Buch (erschienen im Junius Verlag).

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