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Wohnungskrise trotz Bauboom – wie passt das zusammen?

Ein Artikel im Altona Elbe Wochenblatt trifft den Nagel auf den Kopf. So, wie es aussieht, wird auch auf dem Holstenareal wieder einmal am Bedarf vorbei gebaut.

Artikel aus dem Altona Elbe Wochenblatt, vom 30. Januar 2021
von Folke Havekost, Hamburg-West

Es wird am Bedarf vorbei gebaut!

Es wird gebaut, ganz fleißig sogar. Jahr für Jahr veröffentlicht die Stadtentwicklungsbehörde, wie viele neue Wohnungen in Hamburg entstanden sind. 9.805 waren es im Jahr 2019, darunter 3717 öffentlich geförderte. „Der Bau zusätzlicher Wohnungen ist das wirksamste Mittel gegen den Anstieg der Mieten“, erklärt die zuständige Senatorin Dorothee Stapelfeldt. Nur was wird wie für wen gebaut?

„Es wurde bisher relativ hochpreisiger Wohnungsbau geschaffen, weniger für Normal-oder Geringverdiener“, stellt der Hamburger Architekt Claas Gefroi fest: „Und weil zu viele Sozialbindungen herausfallen, ist der beliebte Drittelmix zu wenig.“

„Wir brauchen eine größere Flexibilität, die eine Kombination von Wohnen und Arbeiten ermöglicht“

Claas Gefroi, Architekt

Im ersten Lockdown wurden Defizite aufgedeckt

Fast in jeder Großstadt werkeln Bagger und Kräne fleißig am Bauparadoxon. „In den vergangenen Jahren ist etwas unglaubliches passiert“, bilanziert die Berliner Architektin Larisa Tsvetkova: „Zusätzlicher Wohnraum wurde in erstaunlichen Mengen gebaut, während die Bevölkerungszahlen sich kaum verändert haben. Gleichzeitig ist eine Wohnungskrise entstanden.“ Denn es wird am Bedarf vorbei gebaut. Nur in jedem fünften Hamburger Haushalt leben heute drei oder mehr Personen. Die weitaus größte Wohnform ist mit 58,3 Prozent der Single-Haushalt. Dort muss für jede Person eine Küche und ein Bad vorhanden sein, was den Pro-Kopf-Flächenbedarf in die Höhe treibt.

Nicht nur, aber auch deshalb ist der Flächenbedarf eines Wohnenden in den vergangenen drei Jahrzehnten bundesweit um 35 Prozent gestiegen. Da der Trend zum vereinzelten Wohnen sich wohl so bald nicht umkehren wird, wäre es konsequent, verstärkt kleinere Wohneinheiten für Singles zu schaffen. Das Gegenteil geschieht: Für Investoren sind größere Einheiten lukrativer, und trotz aller Bemühungen, den öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbau zu stärken, geben sie in Hamburg nach wie vor den Ton an. Kleinere Einheiten entstehen eher als Mikro-Apartments für Studierende, weil die Gewinnspannen in diesen „Lebensabschnitt – Wohneinheiten“ attraktiv sind.

Nachhaltig ist diese Form der spekulativen Stadtentwicklung nicht. »Einfach nur mehr Bauen ist Schnee von gestern“, befindet Tsvetkova: „Die bauliche Möglichkeit der Trennung von größeren Wohneinheiten in kleinere Wohnungen als Pflicht bei Neubau wäre eine Voraussetzung für eine zeitgemäße, anpassungsfähige Architektur.“ Ihr Hamburger Kollege Gefroi stimmt zu: „Wohnungen sind seit Jahrzehnten funktional determiniert. Gerade während Corona, als viele Menschen im Lockdown zu Hause arbeiten mussten, sind diese Defizite schonungslos aufgedeckt wor-den. Wir brauchen eine größere Flexibilität, die eine Kombination von Wohnen und Arbeiten ermöglicht.“ Es gibt sie ja, die Ausnahmen. Im Wilhelmsburger Weltquartier steht vor den Hauseingängen jeweils eine kleine Bank, die Höfe sind als Inseln für Bewohnergruppen gestaltet, die je nach Gusto zum Grillplatz, Rosengarten oder Gemüsebeet werden. Als das alte Quartier für Hafenarbeiter im Zuge der Internationalen Bauausstellung, umgestaltet werden sollte, putzten erst einmal Studierende als „Heimatforscher“ die Klinken der Bewohner und erkundigten sich nach deren Wünschen und Vorstellungen. Eine aufwendige, aber effektive Form von Bürgerbeteiligung. In der Nähe sorgt der Weltgewerbehof für Umsatz und Austausch.

Wohnungskrise statt Bauboom

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